Gedenkbuch 2011

Emil Katzenstein
Selma Katzenstein geborene Strauss

Von Ursula Manten und Margret Steinbeck, Aachen

Emil Katzenstein

In den Jahren 1919 - 1933 hat unsere Mutter, die im Jahr 1905 geboren wurde, bei der Firma „Hermanns & Froitzheim, Wäsche Handschuhe und Herrenartikel“ in Aachen, Kapuzinergraben 5, zunächst eine Lehrzeit absolviert und dann bis zur Geburt ihrer Zwillinge im Jahr 1933 dort gearbeitet. Das Geschäft gehörte zu dieser Zeit dem jüdischen Ehepaar Emil und Selma Katzenstein. Das Geschäft wurde im Jahr 1938 arisiert .

Emil Katzenstein wurde am 17. Januar 1872 in Warendorf in Westfalen geboren. Der Wohnsitz Aachen ist für Emil Katzenstein von 1910 bis 1942 nachgewiesen.

Selma Katzenstein, geborene Strauss, wurde am 15. September 1880 in Wuppertal-Elberfeld geboren. Ihre Eltern waren Herz Strauss und Sophie, geborene Selig.

Zu den Eheleuten Katzenstein entwickelte sich aus dem Dienstverhältnis mit unserer Mutter eine herzliche Verbundenheit und tiefe Freundschaft, die in den Folgejahren nicht nur Bestand hatte, sondern sich vertiefte. Die enge Beziehung lässt sich erklären durch die Tatsache, dass unsere Mutter bereits in jungen Jahren ihre Eltern verlor. Im Jahr 1918 starb ihr Vater, in den Jahren 1920 und 1921 zwei ihrer Schwestern und 1922 ihre Mutter. Die Eheleute Katzenstein, selbst kinderlos, waren unserer Mutter sehr zugetan und nahmen sich ihrer fürsorglich wie Eltern an.

Es traf sich gut, dass der Wohnsitz unserer Eltern an Siegel in der Horst-Wessel-Straße 98, heute Kalverbenden 98, nur wenig vom Haus der Eheleute Katzenstein, Monschauer Straße 3, unmittelbar an Siegel, entfernt war. Meine Mutter besuchte regelmäßig die Eheleute, und wir Kinder nannten sie „Onkel“ und „Tante“.

Solange Selma und Emil Katzenstein unbehelligt von den Nationalsozialisten an Siegel wohnten, fiel für unsere Eltern wenig Arbeitshilfe im Haus Katzenstein an, da sie eine ständige Haushaltshilfe und einen Gärtner beschäftigten. Gelegentlich waren kleine Hilfeleistungen erforderlich, wenn zum Beispiel am Sabbat ein Kohleofen oder der Kamin ausging und die Katzensteins als gläubige Juden das Feuer selbst nicht neu entfachen durften.

Als die Eheleute Katzenstein und viele alte jüdische Menschen aus ihren Wohnungen in das nahe gelegene jüdische Altersheim in der Horst-Wessel-Straße 87 unterhalb des Vinzenzheimes zwangsweise umgesiedelt wurden, war es für unsere Eltern selbstverständlich, den liebevollen Freunden nach Kräften beizustehen und Hilfe zu leisten.

Unsere Mutter versuchte, die Eheleute, die sehr beengt wohnten und mit zu wenig Nahrung versorgt wurden, zu unterstützen. Diese Hilfeleistung wurde strikt unterbunden, so dass unsere Mutter einen Treffpunkt am Maschendrahtzaun mit Selma Katzenstein vereinbarte, wo man sich zur Übergabe von kleinen Päckchen traf. In dieser Zeit wurden unsere Eltern durch Spitzel aus der Nachbarschaft ernstlich mit einer Anzeige bedroht, so dass sie meine Zwillingsschwester und mich, mit dem Roller zur Übergabe an den Zaun schickten. Einmal warf man unseren Eltern von der Hofseite eine Scheibe des Küchenfensters ein und beschimpfte sie als Judenhelfer.

Unbeirrt blieben unsere Eltern den Eheleuten bis zur Deportation am 25. Juli 1942 freundschaftlich und tatkräftig verbunden.

Wenige Tage vor der Deportation 1942 ließ sich Frau Katzenstein von unserer Mutter einige wenige Dinge bringen. Wegen der Besonderheit ist uns nur bekannt, dass ein Kindertöpfchen dabei war, weil Frau Katzenstein befürchtete, dass es auf dem Transport hilfreich sein könnte.

Auch bei der Verladung zur Deportation war unsere Mutter zugegen. Immer wieder hat sie davon erzählt, dass Emil und Selma Katzenstein fest davon ausgingen, unbehelligt nach Aachen zurückzukehren. Frau Katzenstein habe ihr Mut zugesprochen: „Wir haben niemand Böses getan, so wird auch uns niemand etwas zuleide tun.“

Emil und Selma Katzenstein wurden von Aachen am 25. Juli 1942 mit Transport VII nach Theresienstadt deportiert.

Als Erinnerung blieb ein Foto des Ehepaars aus guter Zeit. Es stammt vermutlich aus den 20er Jahren. Uns ist nicht bekannt, wo es entstanden ist.

Unsere Eltern haben lange nach dem Krieg erfahren müssen, dass beide, Selma und Emil Katzenstein, das Konzentrationslager Theresienstadt nicht überlebt haben. Emil Katzenstein starb am 1. April, Selma Katzenstein am 6. April 1943.