Jakob Daniel
Von Bettina Offergeld, Aachen
Jakob Daniel wurde am 09. Juni 1865 in Essen-Borbeck geboren. Über seine Kindheit und Jugend ist uns nur bekannt, dass Jakob in seinem privaten Freundeskreis auch Jack oder Jacques genannt wurde. Mit 26 Jahren heiratete er die drei Jahre jüngere Henriette Neumark. Henriette wurde auch Jettchen oder Jette genannt. Geboren wurde sie am 11. Februar 1868 in Wittmund.
Zur Hochzeit von Jettchen und Jacques, die am 28. Oktober 1891 stattfand, schrieb der Bruder der Braut, Moritz Neumark, ein zauberhaftes Gedicht darüber, wie zwei Herzen und auch zwei lebensfrohe Menschen, die beide einem Streich nicht abgeneigt sind, sich finden. Jakob und Henriette hatten drei Kinder, Nora, Julie und Herbert. Wo die Familie zunächst wohnte und wann und warum sie über Wesel nach Aachen zog, ist nicht bekannt. Vermutlich wurden die Daniels durch berufliche Gründe zum Umzug veranlasst.
Nora, die ältere Tochter, wurde am 06. April 1893 ebenso wie ihr Vater in Essen-Borbeck geboren. Sie lebte lange in Aachen in der Lousbergstraße 34 und war mit einem Niederländer namens Jan Kuiper verheiratet. Diese Hochzeit, irgendwann nach dem Jahr 1938 geschlossen, rettete ihr wahrscheinlich das Leben. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich dabei um eine Zweckverbindung gehandelt hat, durch die Nora die niederländische Staatsangehörigkeit erhielt.
Nora, die von Beruf Diplomhandelslehrerin war, zog später nach Allensbach am Bodensee. Nora Kuiper, geborene Daniel, überlebte die Shoah und starb im Jahr 1956 in Mühlheim in Baden.
Julie, Jakob Daniels jüngere Tochter, das mittlere Kind, geboren im Jahr 1900, emigrierte bereits früh nach Südafrika. Sie lebte in Johannisburg und überlebte dort das Dritte Reich. Julie Daniel war unverheiratet und starb 52-jährig in Transvaal, Südafrika, am 04. November 1952.
Herbert, das jüngste der drei Kinder, wurde am 01. März 1905 in Wesel geboren. Herbert ergriff einen technischen Beruf und machte sich später selbständig. Er heiratete Emma Giesen, die katholisch war und aus Aachen stammte. Herbert konvertierte zum katholischen Glauben. Im Jahr 1934 wurde ihr Sohn, Jakobs Enkel, in Eschweiler geboren. Die Familie lebte bis 1938 in Eschweiler. Im Jahr 1938 musste Herbert Daniel sein Geschäft aufgeben. Er konnte noch für kurze Zeit in Aachen eine Beschäftigung als Lagerarbeiter finden, aus der er jedoch bald wieder entlassen wurde, weil er Jude war.
Jakob Daniel, der den Beruf des Kaufmanns erlernt hatte, arbeitete in Aachen als Geschäftsführer in einem Konfektionsgeschäft für Herrenbekleidung auf der unteren Theaterstraße, das vermutlich den Namen „Kaufmann“ trug. Mit seinen Kindern, seiner Schwiegertochter und seinem Schwiegersohn verstand sich Jakob Daniel immer sehr gut. Er wohnte zu dieser Zeit mit seiner Frau Henriette An der Schanz 20, unweit des Jüdischen Friedhofs. Henriette Daniel starb am 11. März 1937 im Israelitischen Altersheim in Aachen. Sie ist auf dem Jüdischen Friedhof an der Lütticher Straße begraben.
Gerne besuchte Jakob seinen Enkel und dessen Eltern, als diese noch in Eschweiler wohnten, und unternahm dann Spaziergänge mit seinem Enkelsohn. Später zog sein Sohn Herbert mit seiner Familie in das Elternhaus seiner Schwiegertochter in die Hüttenstraße nach Aachen-Rothe Erde. Von dort aus wurden die Schwiegertochter und der Enkelsohn zum Bodensee evakuiert. Sein Sohn Herbert wurde deportiert; sein Deportationsweg begann im Lager Grüner Weg und endete in Auschwitz. Dort überlebte er bis Januar des Jahres 1945, als das Lager evakuiert und später durch sowjetische Truppen befreit wurde. Herbert kehrte nach Aachen zurück und traf dort Frau und Kind wieder, die zügig aus der Evakuierung heimgekehrt waren.
Jakob Daniel wurde im Pförtnerhaus am Jüdischen Friedhof interniert. Wann er dort zwangseingewiesen wurde und für wie lange er dort lebte, ist nicht vollständig geklärt, vermutlich im April 1941. Bekannt ist, dass er auf dem Grundstück des Jüdischen Friedhofs einen kleinen Garten bestellte.
Seine letzte Adresse in Aachen ist das Israelitische Altersheim in der damaligen Horst-Wessel-Straße 87, heute Kalverbenden. Jakob Daniel wurde von dort am 25. Juli 1942 mit dem größten von Aachen abgehenden Transport VII nach Theresienstadt deportiert. Ihm war die Nr. 22 auf der Deportationsliste zugewiesen.
Jakob Daniels Postkarten aus Theresienstadt, die er an seine Schwiegertochter, seine Tochter Nora und seinen Enkel nach Aachen schrieb, tragen den Absender „Theresienstadt Baracke 10“. Aus Aachen konnte ihm geantwortet werden, auch Pakete wurden geschickt. Jakob Daniel nannte in seinen Postkarten immer wieder Familiennamen von Freunden aus Aachen und deren Adressen und fragte nach, ob diese Familien noch immer an der alten Adresse wohnten. Ob er damit den Verwandten etwas mitteilen wollte, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen.
In Theresienstadt war Jakob Daniel ab Ende des Jahres 1942 mindestens bis Mai 1943 im Sanitätsdienst tätig. Er traf im Lager seinen aus Österreich deportierten Schwager Moritz Neumark wieder.
Noch am 23. Mai 1943 schreibt er an seine Familie:
„Meine Lieben,
Eure Sorge um meine Gesundheit ist unbegründet. Bin völlig gesund im Sanitätsdienst weiter beschäftigt. Alle Nachrichten und Sendungen treffen ein, wenn sie auch nicht sofort bestätigt werden können, also seid ohne Sorge, ich freue mich zu hören, dass alle Lieben gesund sind, und erwarte weiter alles Gute von Euch zu hören. Schreibt deshalb viel und oft. Meine Glückwünsche für alle Geburtstage und Kommunion feiere ich im Geiste mit Euch. Das Wetter ist schön. Das Gärtchen gedeiht. Viele herzliche Grüsse u. Küsse für Euch alle.
In inniger Liebe Opa-Vati Jakob Daniel“
Jakob Daniel, der von seinen Verwandten als ein sehr gütiger Mann beschrieben wird, starb am 19. Dezember 1943 in Theresienstadt, nachdem er bereits mehrere Wochen krank gewesen war.
Jakob Daniel verfasste gerne Gedichte. „Das Liedchen von Theresienstadt“, konnte von seinem Schwager Moritz, der das Lager überlebte, herausgeschmuggelt werden. Es ist überschrieben mit „von Jakob Daniel, der fast 79-jährig in Theresienstadt verstarb“. Moritz Neumark aus Wien übergab das Gedicht später seinem Neffen, Jakob Daniels Sohn, Herbert.